Der lackschwarze Hengst beschnupperte mich auf der weiten Weide der Rennpferdezüchterin. „Der
ist mein Pferd“, spürte ich. Englisches Vollblut. Pure Eleganz und Geschwindigkeit. Noblesse.
Kraft und Feinheit. Wir bugsierten den plärrenden Vierjährigen, weder halfterführig, noch an
einen Stall gewöhnt, zwischen Matratzen in meinen Hänger. „Black Mystery“ heißt er im Pferdepass
des Jockey Club Austria. Ich taufte ihn Selim, ein Name aus einer Mozart-Oper. Zweimal hängte er
die Boxentür aus. Bis ich mit ihm den Reitplatz im kalten März erreicht hatte, war ich
schweißgebadet. Doch nach 6 Wochen Bodenarbeit hatte ich einen Freund gewonnen. Ich stieg auf
und ritt ohne jede Buckelei. Ja, manchmal attackierte er in der Reitbahn Wallache. Sehr
peinlich. Aber ich war dann auf der Hut, und er entwickelte sich zum braven Verlasspferd. Wie
gut, so ein feuriges, wunderschönes Ross zu reiten.
Unermüdlich und geduldig war er stets. Mit Eifer arbeiteten wir uns zu Galopptraversalen,
fliegenden Wechseln, Galopppirouetten und Levaden vor. Was die Dressur betrifft, so genossen wir
die Lektionen bei Oberbereiter Klaus Krzisch als besondere Förderung unserer Kenntnisse. Im
Gelände schreckte Selim vor Steilhängen und tiefen Gewässern nicht zurück. Auch nicht vor
Hubschraubern, Riesen-LKWs, Stadtverkehr. Kuhherden im Gebirge durchkreuzte er.
Unvergesslich bleibt mir, wie ich in einer Almhütte neben ihm auf dem Boden schlief, sorglos.
Ebenso, wie wir durch die Bugac-Puszta ritten, in einem Meer von Stille, mit Meilen von
Weitblick. Ich hegte Bedenken, ob mein Hengst nicht Spompanadeln machen würde, angesichts
freilaufender Stutenherden oder langhorniger Graurinder. Alles ging gut. Die Steppe ist die
Domäne des Vollbluts. 50 km in sengender Sommerhitze mit sehr viel Galopp empfand er als
unanstrengendes Vormittags-Ausritterl.
Selims Vater Kayed aus den USA kannte ich. Dieser Hengst von Scheich Maktoum wurde in Newmarket
trainiert, verletzte sich, kam dann nach Österreich. Ein dominierendes, imponierendes Pferd mit
starkem Charakter. Sein Sohn Selim ist sein Ebenbild. Beide gleichen exakt dem Byerley Turk, dem
ersten Stammvater des Englischen Vollbluts. Dieser wurde 1683 in der für Österreich siegreichen
Schlacht um Wien von den Türken erbeutet und nach England verbracht. Dort diente er als
Militärpferd. Seine Nachzucht erwies sich als unschlagbar in Rennen.
1999 geboren, ist Selim noch immer fit. Nach wie vor möchte er im Gelände-Galopp gern
durchgehen, was ihm niemals gestattet wurde. Englisches Vollblut auch als Hengst kann ich nur
bestens empfehlen, sofern Sie nicht zu der weit verbreiteten Spezies von Leuten gehören, die
Pferde gern unbedacht anschreien und schlagen. Ich bin Gott sehr dankbar, dass er mir so ein
feines Pferd geschickt hat. „Alle Hengste sind Psychologen, doch der Vollbluthengst ist der
Chef-Psychologe.“ „Der Vollblüter macht den Menschen vollkommen.“ Weise Zitate aus der
Literatur.