Der letzte echte Sportwagen

Morgan Plus 8 - letzter echte Sportwagen


Der letzte echte Sportwagen. Werner Poscharnigg über den Morgan Plus 8. 2020: Das letzte Jahr, in dem ein Morgan mit dem traditionellen Leiterrahmen hergestellt wurde. Ab 1966 baute man verschwiegen in einer kleinen Garage den Morgan Plus 8, einen geradezu ungeheuerlichen Sportwagen, der damals auch Fahrern von Porsches und Jaguar E-s zu denken gab.

2020 – Jahr der Corona-Seuche und damit verbundener Massenhysterie. Das letzte Jahr, in welchem ein Morgan mit dem traditionellen Leiterrahmen hergestellt wurde. Etwas, das viele Traditionsautomobilisten bedauern. Die neue Generation der Morgans, gelenkt von italienischer Finanzkraft, wird zweifellos sehr gute Autos hervorbringen, deren Produktion weniger Arbeitsstunden benötigt und die „normaler“ sind als die alten Kisten. Doch originale Morgans aus Stahl, viel Holz und Alu, mit dem unvergleichlichen Charme der Einzelanfertigung? Ja, früher war doch alles besser… Da gewann so ein Schüsserl 1962 in Le Mans gegen futuristische Supercars. Und ab 1966 baute man verschwiegen in einer kleinen Garage den Morgan Plus 8, einen geradezu ungeheuerlichen Sportwagen, der damals auch Fahrern von Porsches und Jaguar E-s zu denken gab. Schwelgen wir ein bisserl in Nostalgie, und schauen wir uns an, wie ein „echter“ Morgan entstand. Nicht am CAD-Screen, sondern…

Buicks Alu -V 8
Mitte der 60-er Jahre begann der verkaufsträchtige Ruhm des Le Mans Plus 4 Super Sports zu verblassen. Morgan-CEO Peter Morgan suchte nach einem frischeren, kräftigeren Motor. Doch der neue Triumph 6-Zylinder, welcher zur Verfügung stand, war einfach zu groß für den kleinen Morgan. Man probierte auch einen V 6 von Ford, doch dieser erwies sich ebenso als zu voluminös und zu schwer. Dann trat Kommissar Zufall auf den Plan. Im Mai 1966 besuchte Peter Wilks, Direktor von Rover, Peter Morgan und fragte an, ob Rover denn nicht die ohnehin finanzschwache Morgan Motor Co. übernehmen könnte. Peter Morgan, ein Mann mit Familiensinn, Anstand, Unabhängigkeitswillen, lehnte dankend ab. Er wusste aber, dass Rover von General Motors-Buick die Rechte erworben hatte, deren leichten und kompakten Aluminium-V-8-Motor zu bauen. Und auf seine Anfrage stellte ihm Rover charmanter Weise in Aussicht, dass er dieses offenbar ideale Kraftpaket haben könnte.

Rennwagen-Engineering in der Garage
Für dieses gewagte Projekt holte sich Morgan den erfahrenen Rennwagen-Ingenieur Maurice Owen ins Boot. Dieser fand nach Kontakten mit Rover bald heraus, dass der Buick-Motor von der Größe her in den Plus 4 passen würde und dass die Abgasauslässe auch an geeigneter Stelle wären. Owen begann mit einer letztlich unbefriedigenden Motor-Attrappe und holte sich dann einen realen Buick-Motor. Alle Entwicklungsarbeit diesbezüglich verlief – äußerst kostengünstig - in einer kleinen Garage unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Keiner sollte wissen, was Morgan vorhatte. Mittlerweile modifizierte Rover den Motor etwas, verwendete Sandguss statt Druckguss, verstärkte die Hauptlagerbahnen, während Maurice Owen und sein Assistent Chris an der Entwicklung des Prototyps auf zwei Holzschragen werkten. Da brauchte es etwa eine neue Lenksäule, die um den breiteren Motor herumging. Owen wählte die von A. C. Delco-Saginaw, welche auch den US-Sicherheitsnormen entsprach. Dann war da kein Platz für einen motorgetriebenen Kühlerventilator, weshalb ein elektrischer Ventilator eingebaut wurde, gesteuert von einem Thermostat. Die gesamte Entwicklung verlief nach dem Prinzip „Zuerst bauen, dann zeichnen“, also absolut praxisnah.
Owen, eher groß und dick, hielt es für eine gute Idee, die Karosserie um zwei Zoll breiter zu machen. Peter Morgan stimmte zu. Später entschieden sie, den Leiterrahmen ebenfalls breiter und auch noch um zwei Zoll länger zu gestalten, um den Motor leichter unterzubringen. Für dieses Chassis war die Firma Rubery-Owen zuständig. Das bisherige Moss-Getriebe stellte sich als stark genug für das wesentlich größere Drehmoment der neuen Maschine heraus und konnte daher damit verbunden werden. Und Salisburys, Hersteller der Hinterachse, meinte, dass diese hinreichend sein würde.
Was die Vorderachse betrifft, schätzte Owen Morgans traditionelle Gleitachsen-Konstruktion von 1910 als exzellent für die Straßenlage des wesentlich schnelleren neuen Autos ein. Doch um das Trampeln der Hinterachse zu minimieren, senkte er die Frontaufhängung der Blattfedern um zweieinhalb Zoll und hob die hintere Aufhängung an. Außerdem sorgte er für mehr Freiheit der Hinterachse gegenüber dem Chassis.
Die amerikanischen Sicherheitsregulative kamen 1967 gerade zeitgerecht für den Exporteur Morgan. Peter Morgan und Maurice Owen verbrachten viel Zeit, um das Juristenkauderwelsch zu verstehen, die Konstruktion dem US-Markt anzupassen und entsprechendes Material, etwa Wippschalter, aufzutreiben. Als Renn-Ingenieur mit langer Erfahrung legte Maurice Owen auch viel Wert auf funktionelle Sportsitze. Er hatte schon Schalensitze für Größen wie Stirling Moss oder Graham Hill entwickelt und beauftragte nun die Firma Restall, seine Sitzkonstruktion für den Plus 8 zu produzieren.

Kabelbrand & Start
Im Februar 1967 arbeitete Owen fieberhaft Tag und Nacht. Er befand sich in der Zielgeraden. Die Elektrik fehlte noch. Für diese war Lucas zuständig. (Das ist die Firma, von der manche sagen, sie könne problemlos Licht in Finsternis verwandeln…) Und es kam, wie es kommen musste: Ein Fehler in der Lichtmaschine führte zum Kabelbrand, sodass der tapfere Elektriker bis spät in die Nacht tüftelte. Danach hatten Owen und sein Chris noch einige Kleinigkeiten zu richten. Und knapp nach Mitternacht ertönte zum ersten Mal das tiefe Grollen eines Plus 8 in den Malvern Hills! Ein aufregender Moment! Peter Morgan konnte am nächsten Morgen das Fahrzeug ausprobieren und zeigte sich sehr zufrieden. Er hatte Owen stets vertraut und ihm freie Hand gelassen.

Schikanen & Verbesserungen
Die glückliche Fertigstellung des Prototyps jedoch stand nur am Anfang einer neuen Kette von Ärgernissen und Verzögerungen. Zwar wurde Morgan von Triumph der neue V-8-Zylinder-Motor des Stag zur Verwendung angeboten, doch Peter Morgan blieb beim Rover-Triebwerk. Der Finanz-Chef von British Leyland informierte ihn, dass eine Genehmigung von General Motors nötig sei, wenn Morgan den Buick-Rover-Motor verwenden wolle. Und siehe, das Okay kam bald. Dennoch gab es noch immer keine Motoren. Morgan machte sich Sorgen, dass ein Jahr Entwicklung umsonst gewesen sein könnte. Daraufhin lud er Harry Webster und John Turnbull von Rover im Oktober 1967 nach Malvern ein, um den Prototyp Plus 8 zu testen. Dieser beeindruckte die beiden Herren so nachhaltig, dass sie zusagten, Morgan würde mit dem Motor beliefert werden, und zwar bald nach der Vorstellung des Rover 3,500 im April 1968.
Was Maurice Owen Zeit gab, an Verbesserungen für die Serienreife zu feilen. So wurden Servobremsen eingebaut, ein größerer Tank und sogar Dreifachscheibenwischer sowie Druckgussfelgen für breitere Reifen und Gummihalterungen für den Kühler. Auch die Auspuffanlage modifizierte er. Maurice Owens Prototyp hat zwei Beulen auf der Motorhaube, damit die Vergaser hineinpassen. Und er fährt noch mit Speichenrädern. Die breitere Plus-8-Karosserie steht noch auf dem schmäleren Plus-4-Chassis. Peter Morgans Prototyp (Nummerntafel MMC II) gleicht dann weitestgehend dem Serienfahrzeug. Übrigens gab es ein Unikat: Ein Plus 8 Drophead-Coupé mit Automatik für Frau Morgan.

Brutaler Zeitgeist-Raser
Für das damals 935 kg leichte Auto waren 160 PS und 284 Nm Drehmoment eine geradezu brutale Motorisierung, welche für eine Beschleunigung von 0-100 in 7,5 sec. sorgte, sehr zum Kummer der Konkurrenz. Für Fahrer des Jahres 2020 mögen 160 PS nichts Besonderes sein. Doch damals war das viel, da der Motor nicht gegen allerlei Abgasfilter zu kämpfen hatte. Das bei Stars beliebte Auto war ein bisschen verrückt, passte zum Zeitgeist wie Jimi Hendrix, Beatles, Rolling Stones, Paisley-Hemden, Husarenjacken, lange Haare… Morgan-Autos wurden zum schicken, auffälligen Lifestyle-Accessoire, poppig, modern, galten nicht mehr als veraltet, sondern heiß. Vielleicht ein Auto, um – born to be wild -durch einen Psychedelic-Traum zu rasen. Der Plus 8 erlangte Kult-Status, wurde, was man englisch „iconic“ nennt und sorgte wirtschaftlich für das Fortbestehen der Marke Morgan. Ab dem Jahr 2000 gab es mehr Hubraum und mächtige 220 PS. Bis 2004 fertigte Morgan etwa 6000 Plus 8. Dann war abgasnormbedingt Schluss mit V 8. Doch ab 2012 baute Morgan wieder einen Plus 8, nun etwas größer mit Aluminium-Monocoque-Chassis und einem herrlichen 367 PS 8-Zylinder von BMW. Jedoch seit 2018 gibt es wieder keinen Plus 8 mehr, denn Morgan muss politisch korrekt das Klima und den Planeten retten.

Erst bauen, dann zeichnen
Charmant an dieser Historie vom Plus 8 finde ich die handwerkliche, bodenständige, mechanische Entwicklung des Fahrzeugs in einer simplen Garage, wohingegen in der heutigen Industrie fast alles Engineering zuerst am Computer geschieht. Das derzeitige Morgan-CX-Chassis für die Generation der Morgans unter italienischem Finanzkapital ist nun „neue Normalität“. Ferngesteuertes Autofahren wird uns ja, mit listigem „Framing“, verlogen als „autonomes Fahren“ verkauft. Vielleicht können wir uns schon in naher Zukunft einfach in einen Morgan setzen, das Ziel eingeben, und wir werden „autonom“-automatisch dahinchauffiert, ohne uns strapaziöser Lenkarbeit unterziehen zu müssen. Bis zur Ankunft können wir uns ein unterhaltsames Video genehmigen. Die romantischen Zeiten echter Automobile mit dem feinen Geruch von Benzin und Öl haben wir mit unseren traditionellen Leiterrahmen-Morgans allerdings noch bewahrt und lenken sie mit Eigenverantwortung, Eigenkönnen und Genuss in die Zukunft. „Gute Fahrt!“ wünscht Werner Poscharnigg.


_______________ EDITION WERNER POSCHARNIGG ______________________________


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